Sarah Maria Sun im MyGrandStory Podcast
Sarah Maria Suns GrandStory
Sarah Maria Sun ist Sopranistin, eine herausragende, und das ist nur ein Bruchteil ihres Talents. Oder besser: ihres internationalen Erfolgs.
Was für ihr Genre zunächst ganz und gar ungewöhnlich klingt, denn sie fiepst, sie kichert, sie stöhnt, rezitiert, sie singt glasklar das berühmte hohe C, schnalzt zugleich mit der Zunge, und das alles in einer Geschwindigkeit und Virtuosität, dass selbst ein ungeübtes Ohr diese Performance als etwas ganz Besonderes erkennt.
Leichte Kost ist das nicht, eben keine wohlbekannte Königin der Nacht-Arie, keine Salome, kein Schubert-Lied.
Sarah Maria Suns Stimmkunst ist experimentell und provokant, wie die Kompositionen, die sie auf die Bühne bringt. Flauschiger wäre es für sie gewesen, als Ausnahme-Gitarristin, die sie bereits als junges Mädchen war, eine vielversprechende Karriere hinzulegen.
Wäre da nicht „dieser gewisse Drang,“ erzählt Sarah im MyGrandStory Podcast, „nicht gefällig sein, sondern Grenzen ausloten zu müssen, um Neues, Ungehörtes zu wagen.“ Eine Kühnheit und ein Erfindungsreichtum, die sie in die Riege der berühmtesten Interpretinnen der zeitgenössischen Moderne katapultiert.
Wer ist Sarah Maria Sun?
Die Sopranistin Sarah Maria Sun gehört weltweit zu den führenden Interpretinnen zeitgenössischer Musik und ist Professorin an der Hochschule für Musik in Basel.
Sie studierte Gesang in Köln und Stuttgart und wurde anschließend von Darinka Segota und Tanja Ariane Baumgartner betreut.
Ihr Repertoire beinhaltet heute 900 Werke des 20. und 21. Jahrhunderts, darunter ca. 370 Uraufführungen. 2019 wurde sie für ihre Darstellung komplexer Frauenfiguren vom der Opernwelt zur „Sängerin des Jahres“ nominiert, 30 CDs sind bislang von ihr erschienen.
Das Album Les Espaces électroacoutiques (col legno) wurde mit dem Jahrespreis der Deutschen Schallplattenkritik 2020 ausgezeichnet.
Sarah sang unter Dirigenten wie Sir Simon Rattle, Kent Nagano und Susanna Mällki gearbeitet. Sie gibt Meisterkurse für Vokalmusik u.a. in Oslo, Harvard, Berlin und ist rund um den Globus bei berühmten Festivals, in Opern- und Konzerthäusern zu Gast. Sie ist Veganerin und engagiert sich für Tierrechte.
Sarah Maria Sun, das ist übrigens ihr echter, kein Künstlername, lebt mit ihrem Ehemann in Dresden.
Sarah Maria Sun auf dem Weg zu GrandStory
Sie klingt im Duett wie eine Klarinette, mal wie Wetterleuchten, mal wie eine soulige Diva. Und das soll alles Kopfarbeit sein? „Ich habe kein absolutes Gehör“; sagt das Ausnahmetalent Sarah Maria Sun im MyGrandStory Podcast, „ich muss mir alles schwer erarbeiten. Auswendig lernen, Technik üben und nochmals üben und hoffen, dass mein Gehirn sich dafür groß genug und gnädig erweist.“
Also kein Fishing for Compliments, sondern Part 1 in der Gesamtkomposition ihres Erfolgs: Selbstdisziplin. Und bedeutet fürs tägliche Leben: morgens um halb 5 aufstehen, Noten lernen, joggen gehen, dabei weiter Noten hören oder neue Stücke kennenlernen (oder Koreanisch und Spanisch lernen), dann frühstücken, ab zur Probe, und in jeder Pause und jeden Abend Mails checken und Papierkram erledigen – das heißt, Anfragen beantworten, neue Kontakte aufnehmen, Touren organisieren bis weit über die nächsten 12 Monate hinaus, schließlich ist sie auch ihre eigene Managerin.
16-Stunden-Tage, davon 10 Stunden Musik, 6 Stunden Büro, 7 Tage die Woche, Jahr für Jahr. Ein Pensum, dem man lernt gewachsen zu sein, wenn man Part 2 der Erfolgsformel hatte und hat: das richtige Umfeld. „Ich bin sehr behütet aufgewachsen“ erzählt Sarah, „meine Mutter hat immer dafür gesorgt, dass ich sozial eingebunden bin, ich war auf einer Waldorfschule, habe dort gelernt, nicht auszugrenzen und nicht ausgegrenzt zu werden. Das war eine elementare Lektion, sie hat mein Selbstbewusstsein geprägt.“
Und selbstverständlich braucht man Lehrer, die ein solches Talent sehen und leiten. Wie der erste Gitarrenlehrer, der Sarahs hohe Emotionalität beim Musizieren erkannte und wusste, dass es nicht nur bei einem Hobby bleiben darf. Mit 13 kam sie in die Studentenklasse für Gesang und lernte dort ihren nächsten bedeutenden Mentoren kennen.
Die Gitarre hat sie nach dem Abitur nur noch zum Unterrichten in die Hand genommen. „Als Kind war mir schon klar, es gibt beim Singen kein Medium, kein Instrument, das zwischen mir, meinem Körper und der Mitteilung, beziehungsweise dem Publikum steht.“ Ihr Gesang, das ist alles 100% Sarah, ihr Instrument ist Sarah.
Das große Talent, der wachsende Ehrgeiz, die gnadenlose Konkurrenz, ambitionierte Lehrer… als Kind habe sie die hohen Ansprüche easy erlebt, erzählt Sarah, „später in der Pubertät entwickelte ich aus dieser ständigen Prüfungssituation, der ständigen Fehleranalyse, Zweifel und Ängste, hatte wirklich eine Auftrittspanik. Gut drei Jahrzehnte habe ich damit verbracht, sie in den Griff zu kriegen. Und ehrlich, man bekommt es nie wirklich los…“ Aber sie hat immer weiter gemacht, diesen Kraftaufwand, diesen Zeitaufwand, die Überforderung auf sich genommen, sich immer wieder Unbekanntem gestellt, es förmlich gesucht. Von was war sie so getrieben?
„Mir war klar, dass Musik wichtiger ist als meine Ängste – ich muss mich denen stellen und sie überwinden.“
Hier kommt also Part 3 ihrer Gesamtkomposition: Ihre Hingabe für die Musik. „Das ist das, warum ich lebe, nichts anderes hat mich je so interessiert und tut es noch. Auch wenn ich dafür zu kämpfen habe, dann ist es Teil meines Weges.“
Warum ist Sarah Maria Sun eine GrandStory?
Da ist diese gewisse Faszination, die Wunderkinder auf den Rest der Menschheit ausüben. Eben der man sich nicht entziehen kann, wenn man Sarah Maria Sun bei ihrer Arbeit zusieht.
Denn ihre Einzigartigkeit liegt vor allem in ihrer Performance. Sie ist ein Gesamtkunstwerk aus Stimmakrobatik, Schauspielerei und Gesang. Mit einem Mut sich dabei lustvoll zu (ent)äußern. Mit einem Mut und einer Lust, die zweifelsohne dahinter stecken müssen, sich wegzubewegen vom ästhetisierten Gesang, um in neue Sphären der Musik vorzudringen.
Kämpfen ist für Pioniere wie Sarah ein tägliches Thema, nicht zuletzt um die Anerkennung ihrer Kunst, und damit hat sie einige Gemeinsamkeiten mit Dilek Gürsoy, einer weiteren außergewöhnlichen Persönlichkeit und GrandStory. Ist also ihre Musik eher für eine intellektuelle Elite? Dagegen wehrt sie sich vehement. Musik ist übergreifend und sinnstiftend, sagt sie, ein Teil unserer Kommunikation, es ist eine Sprache, die Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen verstehen und wertschätzen können. Die das „mystische unerklärliche Mehr, den emotionalen Gehalt transportiert – in einem langen Bogen bis zum Ende eines Stückes.“
Text: Andrea Ketterer
Weiterführende Artikel zu Sarah Maria Sun:
Hörproben
Kompletter Saisonplan
Wikipedia-Artikel
Sueddeutsche Zeitung: Fragebogen „Alte Schule“
Die Zeit: Eine agile, nervöse Seele
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