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PODCAST #26

Nicole Heßberg

Kämpferin für Chancengleichheit

Geburtsort

Leipzig

Geburtstag

1998

Anfänge

Kindheit in Hartz IV

Heute

Schicksal herausgefordert, Glück gefunden
„Armut ist nicht einfach kein Geld haben. Armut fühlt sich erniedrigend an.“

Nicole Heßberg im MyGrandStory Podcast

Die GrandStory von Nicole Heßberg

Nicole Heßberg ist die jüngste von sieben Geschwistern, die Mutter alleinerziehend, oft überfordert und immer öfter depressiv. Seit Nicole denken kann, lebt die Familie in Armut. Das heißt, am Ende des Monats hungrig und kraftlos zu sein, weil schon so lange nichts mehr im Kühlschrank war. Das heißt, vom ersten Moment an nicht die gleichen Chancen zu haben wie all die anderen Kinder. Und das heißt, sich dafür zu schämen. Welche Perspektive ist da für ein Leben greifbar?   

Heute, mit gerade mal 25, leitet Nicole Heßberg das Projektteam „Hamburger Stipendien Counseling“ bei ApplicAid, eine gemeinnützige Organisation, die Menschen mit bildungsbenachteiligtem Hintergrund auf ihrem Weg zum Stipendium unterstützt. Sie hat das Programm mitentwickelt, weil sie genau weiß, was Menschen aus prekären Verhältnissen brauchen: finanzielle Hilfe, aber vor allem Empathie und Empowerment, um dem Armutszyklus zu entkommen.  

„Ich allein hätte den Mut nicht entwickeln können, das Gymnasium anzupacken.“ erzählt sie ihre Geschichte eindrucksvoll bis ins Detail im MyGrandStory-Podcast, die viele Parallelen mit der von Katja Urbatsch aufweist. Nicht ohne die Klassenlehrerin zu Beginn des Gymnasium, die etwas in ihr gesehen hat. Die alles ins Rollen gebracht hat, was Nicole schließlich bis zum Abi führte, zum Bachelor in Politikwissenschaft und Soziologie an der Uni Halle und zum Master in digitaler Arbeit an der Technischen Universität Chemnitz.  

Einer häuslichen Katastrophe entflieht man nicht so einfach, sagt Nicole. Das hallt ewig nach. Wenn sie heute darauf blickt, überlagern sich die Gefühle. Sie ist wütend, wenn sie sieht, dass sie schon als kleines Mädchen von ihrer Mutter mit allem alleine gelassen wurde; traurig, wenn sie andere dabei beobachtet, wie easy es hätte laufen können; froh, schon früh in ihrem Leben Menschen gehabt zu haben, denen sie sich anvertrauen konnte. „Als Jugendliche empfand ich meine Situation als besonders schwierig,“ erzählt Nicole „wenn Vergleiche anfangen und Einordnung, und ich nicht bei allem dabei sein konnte.“ Kein Geld für Schulausflüge, Klamotten, irgendein Hobby. Da habe sie gute Strategien entwickelt, dass es nicht auffällt, wie arm sie wirklich war. Selbstbewusst, ohne genug Glauben an sich selbst.  

Die Gesellschaft habe gar kein Bild davon, was Armut im reichen Deutschland wirklich ist. Nicole Heßberg will, dass wir hinsehen und verstehen: „Armut fühlt sich entwürdigend an!“ Wenn sie so schonungslos ehrliche Geschichten über Erlebnisse und Ängste aus ihrer Kindheit und Jugend erzählt, will sie eine neue Perspektive auf das Thema setzen. Und diejenigen ermutigen, die mit ähnlichen Startschwierigkeiten als Arbeiterkind, mit Migrationshintergrund oder Fluchterfahrung zu kämpfen haben. Sie alle brauchen Mentor:innen, wie Nicole sie selbst als Stipendiatin erlebt hat, „ ich bekam ungeteilte Aufmerksamkeit, das kannte ich nicht, Verständnis für meine, ganz speziell meine Situation und Hilfe.“   

Mit ihrem Job hat Nicole schon über einige tausend Menschen zu Stipendium informiert. Dass sie bei ihrer Begabung eine aktivistische Richtung eingeschlagen hat und nicht (was sie viele fragen) eine Karriere, die mehr Prestige und viel Geld mit sich bringt, liegt schlicht daran: „Ich weiß, wie wichtig finanzielle Sicherheit für mich ist. Aber es ist nicht richtig, nur darauf zu schauen, wie viel Geld man verdient. Ich brauche das gute Gefühl morgens, wenn ich aufwache, „heute wirst du wieder vielen Menschen helfen können, und die Welt ein bisschen besser machen.“  

Text: Andrea Ketterer

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